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Dienstag, 29.07.2014

Tag 20 - Darf's ein bisschen Schnee und Sturm sein?

Refugi d'Anglios → Collet dels Estanyets → Coll da Vallibierna → Refugio de Corones → Camping Aneto

Ich kann den heutigen Wandertag eigentlich nur als aeussert abwechslungsreich beschreiben. Angefangen von dem sehr spaetem Aufstehen bis hin zu Schnee, Sturm und dann doch wieder Sonnenschein war heute alles, inkl. herrlicher Ausblicke, vertreten.
Einer von vielen huebschen Seen
(image by Alain Collet)

Tobi kam ja ca. eine Stunde spaeter noch am Abend dazu, dann begannen wir gemuetlich zu Abend zu essen. Das Problem bei der Huette war, abgesehen davon, dass wir sehr dankbar dafuer waren, dass es diese hier oben gab, dass diese ueberhaupt nicht auch nur annaehernd winddicht war. Von ueberall her schien der Wind hereinzukommen, aber das war soweit auch noch OK. Wir hatten ja warme Schlafsaecke. Zum Essen teilten wir fast alles moegliche, was zu teilen war. Zuerst gab's eine Mischung aus irgendwelchen Suppen die wir aufkochten, dann noch irgendein trockengefrorenes Irgendetwas mit Schrimps und Spargel, das Tobi mitgebracht hat, ein bisschen Wurst und Kaese, dann auch noch Schokolade. Ja, so schoen kann Wandern trotz schlechtem Wetter sein. Aussen herum bliess der kalte Wind und wir versuchten es uns hier im Kerzenschein gemuetlich zu machen. Die Kerze bekamen wir von der vorherigen Huette, die uns so ein hervorragendes Essen gekocht hat und dafuer war ich auch sehr dankbar. Tobi hat sich auch ueber die Dose Bier gefreut, die ich fuer ihn mitgebracht habe. Die anderen 3 musste ich alleine trinken, da ich morgen auch nicht noch mehr Gewicht mitschleppen wollte. Ca. um 10 Uhr, genau weiss ich es nicht mehr, ging's dann auch in's Bett. Also sozusagen in's Bett, da wir es uns auf einer Erhoehung gemuetlich machten mit Thermorestmatten und Schlafsack.
Mehr Seen beim Aufstieg
(image by Alain Collet)

Die Nacht war relativ interessant. Zuerst hat Tobi angefangen, die Huette zu zersaegen und nachdem ich dann meine Ohrenstoepsel reingestopft hatte, konnte ich auch ein bisschen Schlaf finden. Die Kerze liess ich die ganze Nacht ueber brennen, sicher stehend in dem Alukochtopf. Zwar dachte ich, dass es die Huette vllt. um ein Grad erwaermen wuerde, aber ich musste doch feststellen, dass der Wind, welcher sehr stark um die Huette zu blasen anfing, doch wieder alle Waerme aus der Huette verschwinden lies. Der Wind nahm in der Tat mehr und mehr zu. Vllt. war es in der Nacht um 4 Uhr, als ich davon trotz Ohrenstoepsel aufwachte. Er liess die Huette regelrecht heulen. Ich mummte mich noch staerker in meinen Schlafsack ein, versuchte jede kleine Ritze an dessen oberen Teil zu schliessen und trotz der 2 T-Shirts und des Flies fror es mich doch noch ganz leicht. Um 5:30 klingelte dann Julies Wecker und ich war froh, dass sie keine Anstalten machte, aufzustehen. Um 6:30 klingelte dann mein Wecker und auch ich reagierte nicht darauf. Draussen war einfach nur ein heftiger Wind und ich wollte auf keinen Fall bei diesem Wind den Aufstieg machen, geschweige denn ueber das im Fuehrer stehende, womoeglich existierende, Schneefeld gehen, das bei diesem Wind ohne Sonne ganz sicher fest gefroren war. Also drehte auch ich mich weiter um und war froh, dass weder Tobi, noch Julie Anstalten machten, aufzustehen. Richtig weiterschlafen konnte ich aber auch nicht. Irgendwann kurz vor 8 Uhr schaute ich dann vor die Tuer und musste feststellen, dass der Wind gar nicht so stark bliess, sondern sich das in der Huette einfach nur so stark anhoerte. Mit einem "good morning" forderte ich dann zum Aufstehen auf, sagte, dass der Wind gar nicht so stark ist und schon ging das Morgenprozedere los. Eines davon war u.a. auch das Kochen von Wasser und wir fanden uns auf dem kleinen Tisch zusammen, um dann gemeinsam zu fruehstuecken. Kurze Zeit spaeter ging's dann auch schon los in die heutige Tagesetappe. Damit ein Dank an die Huette, die uns bei diesem Wind sehr gute Dienste geleistet hat. Ach ja, ein Kacktus laesst sich am Besten mit Blick auf den See pflanzen!
Erst mal Pause
(image by Tobias Neckel)

Ich selbst packelte mich dick ein. Mit einem T-Shirt, dem Fliess und darueber der Regenjacke stiefelte ich los. Das war bei dem Wind, solange es nicht bergauf ging, genau das Richtige. Dann aber schon ging es steiler bergauf und die ersten 300 HM waren zu schaffen. Der Wind versuchte alles, dass es mir kaelter wurde, aber ich musste ja nur schnell genug weiterlaufen. Der Regen wurde zu einer Art leichtem Graupelschauer was ganz gut war, da dieser sich nicht in den Klamotten festsetzte. Ich zog heute auch gleich die richtig feste, lange Wanderhose an, die ich schon zu Muenchen-Venedig Tagen kaufte. Es wird echt mal Zeit, dass ich eine Neue kaufe... Ueber viel Geroell und vorbei an einigen Seen stieg der Weg weiter hoch. In der Ferne konnte ich schon das Schneefeld sehen, das im Fuehrer als moeglicherweise problematisch beschrieben wurde. Von der Ferne konnte ich aber weder Wanderspuren ueber das Schneefeld erkennen, noch Wanderwege neben dem Schneefeld. Also ist das eine Wanderung in's Ungewisse und so stiefelten wir weiter und weiter, um dann letztendlich doch festzustellen, dass der Wanderweg schneefrei rechts neben dem Schneefeld vorbeiging.
Da ging's runter
(image by Tobias Neckel)

Oben angekommen, auf 2524 HM konnte ich schon den naechsten See sehen, der nach einem kurzen Abstieg auf der linken Seite herum bewandert werden wollte. Der Graupelschauer verwandelte sich nun mehr und mehr zu Schnee, der relativ angenehm herunterrieselte, allerdings keine dauerhaften Spuren hinterliess. Nach der Umrundung des Sees und dem Erreichen der Weggabelung standen uns nun wieder, nach den 100 HM Abstieg, in etwa 300 HM Aufstieg bevor. In dieser Hoehe war es schon sehr seltsam zu bergsteigen. Ich hatte immer das Gefuehl, dass ich einfach zu wenig Luft bekomme. Deshalb fing ich auch wieder an, tiefer ein- und auszuatmen. Das kompensierte das Ganze etwas. Vllt. habe ich auch die letzten Jahre zuviel geraucht und meine Lunge gibt nicht mehr her. Vermutlich ist es aber einfach nur die Hoehenluft und die koerperliche Anspannung im Zusammenspiel mit ein bisschen Spinnerei. Teils verlief der Weg ueber Felsen, teilweise ueber Gras weiter nach oben um irgendwann nur noch ueber metergrosse Felsen nach oben zu fuehren, bei denen wieder mal jede Aufmerksamkeit erforderlich war. Jeder Fehltritt haette mind. zu einer Prellung gefuehrt und im schlimmsten Fall zu einem Knochenbruch. Wenn ich mich noch an die Bergsteigeranfaenge vor 7 Jahren erinnere, machte mir das unglaublich Sorgen und heutzutage steige ich selbstzuversichtlich mit einer grossen Erfahrung ueber diese riessen Felsbrocken hinweg bzw. springe teilweise hinweg. Da sich Julie und Tobi mit irgendeinem Franzosen verquatscht hatten und ich kein franzoesisch verstand, lief ich alleine weiter und kam damit auch als Erster an dem Uebergang in 2732 Metern Hoehe (Coll de Vallibierna) an, bei dem mir der Wind geradezu jedes kleine Schneefloeckchen in meine Fresse schlug. Ja fuck, was ist denn hier los? Ich konnte kaum meine Augen fuer eine Sekunde offen halten. Das Gesicht schien mir regelrecht einzufrieren und kurz bevor Julie oben angekommen war, beschloss ich sogleich abzusteigen. Das hier oben war ueberhaupt kein Spass mehr fuer jemanden, der eine Aussicht geniessen wollte.
Und noch mehr Seen beim Abstieg
(image by Alain Collet)

Die andere Bergseite hatte fuer uns eine Ueberraschung offen: Kein Regen/Schnee und auch deutlich weniger Wolken. Allerdings standen nun ca. 1500 HM Abstieg bevor, also alles andere als ein grosser Spass. Der Ausblick war aber sehr beeindruckend, da es wieder mal zwei Seen zu sehen gab. Dieser ganze Bereich der Pyrenaeen kommt mir irgendwie wie das Land der 1000 Seen vor. Waehrend der erste Teil noch ueber grosse Geroellsteine verlief, also aehnlich wie der Aufstieg wieder meine volle Aufmerksamkeit erforderte, war der weitere Teil nach ein paar hundert HM dann wieder abwechslungsreicher. Einmal gab's sogar eine kleine Kletterpartie, wenn auch nur eine wirklich ganz kleine, bei der man auch ab und zu nach Griffen suchen musste. Tobi entschied sich, die einfache Alternative zu nehmen bei der man nur 1x am Schluss sich anstrengend hochhiefen musste, was aber irgendwie nicht so reizvoll fuer mich war. Dann machten wir beim aufkommenden Sonnenschein auch eine kleine Pause um im Anschluss daran mit ein paar Lagen weniger (das Fliess hatte ich schon beim Aufstieg abgelegt), weiter abzusteigen. Immer mehr Leute kamen uns entgegen. Julie meinte schon, dass es hier doch irgendwo wieder mal einen Parkplatz geben muesste. Wie wir spaeter herausfanden, fuhr bis auf etwas ueber 300 HM darunter ein Bus die Bergtouristen hier hoch. Allerdings hielt sich der ganze Spass in Grenzen, da diese immer noch mind. 300 HM nach oben zu laufen hatten und darauf haben die meisten Grattler ja keine Lust. Nach der Pause ging's dann eben diese besagten etwas mehr als 300 HM noch weiter herunter, ueber gruene Huegelchen und ab einer bestimmten Abzweigung dann nur noch weiter ueber einen felsigen Weg, der zwar sicher von weitem ausschaute wie eine Autobahn, aber durch die ganzen vielen kleinen Steine nicht wirklich angenehm zu gehen war. Dann kam ich endlich beim Ref. de Corones an, einer Selbstversorgerhuette, welche sogar einen offenen Kamin besass. Ja wie schade, dass ich hier nicht sein kann. Mir scheint so, dass mein Fuehrer mir nicht genau die Huetten empfiehlt, die genau so etwas wie ein offenes Kaminfeuer bereitstellen. An den Fuehrer halte ich mich aber sowieso nur bedingt sondern teile mir die Etappen ein wie es mir gut passt. Bei dieser Huette machten wir es uns dann vor dieser auf einer Bank relativ gemuetlich und verspachtelten alles moegliche, was wir noch in unseren Rucksaecken vorfanden. Ich hatte z. B. noch eine Dose mit Tintenfischfuessen die ich seit mind. 3 Tagen mit mir schleppte. Obwohl wir nun bereits 700 HM abgestiegen waren, war es hier oben immer noch bitter kalt. So trug hier noch jeder etwas langaermliges um sich einerseits von der Sonne aufwaermen zu lassen und andererseits sich vor dem Wind zu schuetzen. Nachdem nun unsere Vorraete zu Ende waren, machten wir uns an den weiteren Abstieg.
Kleiner Steg zur Flussueberquerung
(image by Alain Collet)

Nun stand uns ein wahrer Autobahnhatsch bevor: Kilometerlang ging es einer Schotterstrasse entlang. Genau die Schotterstrasse, auf der auch ein Bus die Grattler hochfuhr. OK, Grattler in diesem Fall wohl nicht, da diese Strasse der einzige Weg vom Tal hier hoch ist und ich selbst auch ueberhaupt keine Lust darauf haette. Das ist also eine ganz gute Ausrede dafuer, den Bus zu nutzen. Aber nicht fuer GR11 Gaenger. Als der Bus entgegen kam, konnte ich dessen Insassen nur den Daumen nach unten zeigen. Im Nachhinein war das vllt. auch absolut sinnlos, aber in genau diesem Augenblick moechte man als GR11 Gaenger einfach keinen Bus auf seinem Wanderweg sehen. Dann zweigte auch schon bald ein Wanderweg nach links ab um einer langen Kehre der Fahrtstrasse eine Abkuerzung zu schlagen um dann doch wieder auf dieser "Autobahn" weiter zu verlaufen. Der Stausee Embalse de Paso Nuevo war auch nicht allzu beeindruckend. Nachdem man so viele natuerlich belassene Seen gesehen hat, haut das einen nicht mehr vom Hocker. Dann noch eine weitere Abzweigung auf einen Wanderweg, dann noch das Wechseln der Wanderschuhe mit den Sandalen, da es nur noch ueber die Autobahn weiterging, und nach einer gefuehlten Ewigkeit erreichten wir den Campingplatz Aneto.
Die recht gemuetliche Selbstversorgerhuette
(image by Alain Collet)

So, endlich am Ziel. Zwar geht mir mittlerweile wieder die Haut an den Armen ab, da ich's mit der Sonnencreme untertrieben habe, und mein blauer Zehernagel am linken Fuss schmerzte beim Abstieg sehr, will aber einfach noch nicht abgehen, aber trotzdem habe ich es wieder zum naechsten Zielort geschafft. Unsere 3 Zelte stehen nun auf dem Campingplatz neben irgendetwas, das wie eine Klaeranlage stinkt. Einfach nur noch widerlich! Mit Julie kehrte ich dann noch beim Supermarkt auf ein Bier ein. Tobi wollte leider nicht mitkommen. Die Duschen waren hervorragend. Ich verbrachte wohl ueber 15 Minuten unter einer, bei der ich die Temperatur auf knapp unter 40 Grad hielt. Das tat sau gut! Das Essen war auch prima und nun muss ich wirklich in's Bett. Es ist schon wieder 11 Uhr und morgen geht's um 6 Uhr aus den Federn. Wir haben einen langen, harten Tag mit wieder mal ueber 1000 HM Anstieg vor uns.