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Sonntag, 21.09.2014

Tag 30 - Ankunft am Meer

Gite d'etape Ouillat → Pic Neulos → Pic des 4 Termes → Col del Pal → Col des Gascons → Banyuls-sur-mer
Gite d'Etape Ouillat

Nachdem ich im Lager angekommen bin und mich hingelegt hatte, war ich eigentlich sehr froh, dass hier niemand schnarchte. So verhielt es sich auch die naechste Zeit. Dann aber fing genau der bloede Kerl neben mir an, irgendwelche Geraeusche zu machen. Aber nicht einfach nur ein tiefes Schnarches sondern irgendwelche hohen Toene von sich zu geben. Alles ruetteln am Bettgestell, druecken an der Matratze, etc. brachte auf Dauer nichts. Der Kerl war einfach nicht dazu zu bekommen, dass er sich umdrehte. So lag ich wach im Bett und regte mich darueber auf. Achja, eines hat mich auch ueberrascht. Bisher bin ich wirklich keiner groesseren Gruppe an GR10 Wanderern ueber den Weg gelaufen. Hier aber schienen sich ueber lange Zeit hinweg viele GR10 Gaenger angesammelt zu haben, inkl. mir. Mindestens 12 GR10 Wanderer waren hier nun auf einem Haufen, wobei auch eine Gruppe von aelteren Personen mitgezaehlt wurde, die ihr Gepaeck immer nachliefern lassen. Solche Grattler, aber immerhin sind die in ihrem Alter noch in den Bergen unterwegs.
Der erste Gipfel

Morgens stand dann auch schon weit vor 7 Uhr ein grosser Teil im Matratzenlager auf und ich beschloss kurz danach, auch mein Zeug zusammenzupackeln. Einen Wecker stellte ich mir heute nicht, da ich auch um 12 Uhr aufstehen koennte um zum Zielort zu laufen. Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Wandertagen ging ich den heutigen Tag in aller Ruhe an. Weder beeilte ich mich beim Zusammenpackeln von dem Rucksack, noch damit zum Haus rueberzulaufen, wo es Fruehstueck gab, noch damit schnell zu fruehstuecken. Ich wollte den heutigen Tag richtig auskosten, das hatte ich mir nach den Strapazen der letzten 29 Tage aus meiner Sicht verdient. Es gab frisches Brot und wohl auch selbstgemachte oder auf jeden Fall sehr gute Marmelade. Dazu noch ein Glas Orangensaft und heisse Schokolade. Die grosse Gruppe von aelteren, wohl ueber 60-ern hatschte dann schon bald los. Dann fuellte ich noch 2 Liter Wasser auf was fuer heute reichen muss, haengte die noch nassen Sachen von gestern hinten an meinen Rucksack und machte mich noch restlich abmarschbereit.
Die schoenen Wolkenfarben

Um etwa 8 Uhr ging's dann los. Der GR10 wurde anscheinend so neu gelegt, dass ich gestern auch auf dem Wanderweg weiterlaufen haette koennen ohne die 100 HM Abstieg zu machen. Es fuehrten naemlich direkt von dem Chalet zwei GR10 Wanderwege weg, die sich nicht weiter ueberkreuzten. Tja, Pech fuer mich. Haette ich mal besser auf das Druckdatum der Wanderkarte geschaut. Ich stuermte heute nicht gleich los sondern nahm mir bewusst mehr Zeit. Das Morgenrot erleuchtete noch den Himmel und in der Ferne schaute ich immer mal wieder zu dem Hauptkamm der Pyrenaeen zurueck. Der Weg fuehrte leicht ansteigend durch den Wald um ungefaehr 100 HM hoch, bog nach links ab und verlief dann weiter aus den Wald heraus. Bald war schon der erste kleine Minihuegel zu ersteigen, auf dessen Gipfel man ein kleines Steinmahl sehen konnte. Als ich dort oben angekommen bin, war aber keine rot-weisse Markierung mehr zu sehen. Aha! Weiter unten waren diese Markierungen vorhanden. Der GR10 verlaeuft also ueberhaupt nicht ueber diesen Gipfel. Hier oben gibt es auch eine Messstation, welche direkt neben den Gipfel hingebaut wurde und so den Berg verschandelt.
Ueber diese Berge verlief der GR10, teilweise aber nicht direkt entlang des Grates

Der GR10 verlief dann links an dieser Einrichtung vorbei um dann wieder ueber ein kleines Waldstueck bergabzulaufen. Dieses Auf und Ab erwartete mich nun fuer ein paar Stunden, da es galt, nahe des Bergkammes zu laufen. In der Frueh kam auch die Sonne schoen ueber dem wolkenfreien Meer heraus und ich zog schon bald meinen Schlapphut auf, um nicht weiter von der Sonne geblendet zu werden. Ich bin sogar auf einen spanischen Wegweiser gestossen, obwohl ich hier ja lediglich auf der franzoesischen Seite laufen sollte. Dieser zeigte mir Requesens an und als ich auch mal ueber einen kleinen Grat darueberschaute, konnte ich tatsaechlich die Burg in dem gruenen Meer aus Wald sehen an der ich vor 2,5 Monaten vorbeigelaufen bin. Das war ein wahrlich schoener Anblick, der in mir aber auch irgendwie das seltsame Gefuehl des sinnlosen Zuruecklaufens hervorgerufen hat. Bald gelangte ich weiter unten auch in die Naehe einer Schotterstrasse, welche ich aber nie betreten musste. Bald darauf gelangte ich dann zum Refuge, in dem man haette tatsaechlich auch zur Not uebernachten kann. So ganz ungemuetlich sah das von innen nicht aus.
Die Berglaeufergruppe

Danach lief ich munter den Trampelpfad weiter. Als der Weg dann andere Wege kreuzte und in den Wald fuehrte, wunderte ich mich ueber die fehlenden Wegmarkierungen. Das kann doch nicht sein, dass bisher so viele vorhanden waren und jetzt keine mehr sichtbar sind. Als ich zurueck lief stellte ich fest, dass ich tatsaechlich eine Abzweigung uebersehen hatte. Da hat mich wohl die Sonne geblendet. Etwas spaeter stieg die Sonne dann in die Wolkendecke hoch und ich konnte meinen Schlapphut wieder abnehmen, sodass mich die frische Meeresbrisen noch besser auch am Kopf trocknen konnten. Sonst staut sich die Hitze unter dem Hut. Wohl fuer 2 weitere Stunden bin ich so dem Bergruecken gefolgt, Auf und Ab, mal durch Wald, mal ueber Wiesen, mal ueber sehr schroffe Steine. Dann kam mir eine Gruppe an Berglaeufern entgegen, wo ich mit dem ersten Laeufer ein Gespraech anfing. Diese Gruppe will in 3 Jahren mit je einer Woche pro Jahr den GR10 durchlaufen. Das waeren 21 Tage. Allerdings haben die nur einen Camelpack hinten drauf und sonst nichts. Da ich den GR10 in 30 Tagen gelaufen bin, allerdings mit vollem Gepaeck und ohne Unterstuetzung von einem Auto das mir die Sachen nachfaehrt, bin ich wohl wirklich ziemlich schnell gelaufen.
In der Ferne sah man schon den Wanderweg GR10 als auch Banyuls-sur-mer

Es gab einen bestimmten Punkt, bei dem ich unbedingt Pause machen wollte. Das war das letzte Mal, dass ich um die 1000 HM war. Danach erfolgte ein steiler Abstieg. Da es hier oben sehr windig war, hoffte ich auf einen passenden windstilleren Ort kurz hinter diesen Punkt und ich fand diesen auch. Nun begann das grosse Fressen. Ich packelte meine Fresstuete aus und verschlang alles, was sich noch darin befand. Ansonsten haette ich diese ja umsonst hochgeschleppt. Die eine 200g Dose entpuppte sich als eine Art Hackstreichwurst. Dann gab es noch das Reststueck vom Baguette, den Kaese und den Schinken. Eine halbe Tafel Schokolade war auch noch vorhanden sowie ein Apfel. Alles musste weg! Und auch das, was ich noch in La Perthus gestern fuer diesen Anlass gekauft hatte: Eine Dose Bier. So sass ich dort oben hinter einem grossen Stein der mich gut vor dem Wind schuetzte und schaute auf Banyuls herunter das sich in weiter Ferne befand. Dort werde ich heute noch ankommen. Total vollgefressen war ich von dem Bier nicht einmal betuedelt.
Der letzte Aufstieg zum Col de Gascons

So machte ich mich unbetuedelt, was nicht beabsichtigt war, an den weiteren Abstieg. Es galt noch 1000 HM zu bewaeltigen und von hier oben konnte ich schon den Grossteil des Weges sehen, den ich die naechste Stunde bergabsteigen sollte. Der erste Teil des Abstieges war sehr steinig und manchmal auch steil. Die rot-weiss Markierungen verliefen irgendwie querfeldein und bald erkannte ich auch den Plan: Wieder sollte es auf dem kleinen Grat nach unten bergabgehen. Dann passierte etwas, was mich doch noch ueberraschte. Das Glueck mit dem bisherigen fast regenfreien GR10 verliess mich und es fing das Troepfeln an. Mehr aber auch nicht. Naja, wenn's sonst nichts ist. Vorsichtshalber zog ich aber den Regenschutz ueber meinen Rucksack, da ich die Waesche hinten auf meinem Rucksack noch brauchen werde. Bei den ersten Metern von dem Abstieg spuerte ich mein linkes Knie ganz leicht. Da ich heute aber das Tempo ueberall herausnahm, hoerte der leichte Schmerz im linken Knie bald auf. Wenn jetzt zum Schluss noch irgendein Miniskus reissen wuerde, waere das schon wirklich sehr, sehr aergerlich.
Banyuls-sur-mer

Weiter unten vereinte sich dann der GR10 mit einem anderen Wanderweg und von nun an ging's fast nur noch auf relativ leicht zu gehenden Wegen weiter.Teilweise waren diese Wege hier auch zusaetzlich mit Steinen befestigt die an steilen Stellen aufeinandergestapelt waren um so einen ebenen Weg zu ermoeglichen. Teilweise stellte ich mir auch die Frage, wie man in dieser schroffen Landschaft einen solchen Weg finden konnte und die Antwort ist wohl ganz einfach. Entweder man meisselte den Weg rein oder man verwendete die Ware von Alfred Nobel: Sprengstoff. Letzteres muss ein Heidenspass gewesen sein. Der Weg gelangte dann kurz zu einer Schotterstrasse und bog sogleich wieder nach links ab um wieder etwas bergauf zu fuehren. Vor mir sah ich oben am Gipfel von diesem Huegel auch einen Wachturm der wohl dazu verwendet wurde, um Ausschau nach feindlichen Schiffen auf dem Meer zu halten. Aber dort wird mich der GR10 nicht hinfuehren. Stattdessen ging es bald den Hang wieder auf gleicher Hoehe zum Col des Gascons.
Der Entzustand meiner Schuhe. Man beachte die Steine, die sich in den Schuhspitzen befinden

Nun galt es die Teerstrasse abzukuerzen, die in grossen Kehren den Berg herunterfuehrte. Der GR10 stieg aber einfach fuer ein paar Minuten ganz steil bergab um dann wieder gemuetlich, vorbei an einer Quelle die ich nicht weiter beachtete, auf gleicher Hoehe einen Wanderweg weiterzufuehren. Dann waren nur noch 300 HM zu schaffen. Diese lief ich entweder ueber eine Schotterstrasse oder ueber Abkuerzungen und Verbindungen zwischen Schotterstrassen und gelangte so runter auf eine Teerstrasse von Banyuls. Sogleich zog ich meine Wanderschuhe aus und legte meine Sandalen an. Hier hatte ich noch einen Blick auf meine Schuhe geworfen. Das ist naemlich das letzte Mal, dass ich diese wohl benutzt habe. Die Spitze war vorne bei beiden Schuhen vollstaendig abgelaufen, das Hartplastik von den bedingt steigeisenfesten Schuhen schaute sogar bei einem Schuh heraus (Oder war's ein weiterer abgegangener Zehernagel? ;-) ) und der Innenkern war fast durch. Mit den Sandalen lief ich nun weiter und haette erwartet, dass ich noch ein paar Hoehenmeter herunterlaufen muesste. Dem war aber nicht so. Durch kleine Gaesslein musste ich noch laufen und die Strassen wurden immer menschenbefuellter. Dann sah ich auch schon das Meer direkt vor mir und die rot-weissen Markierungen fuehrten mich zu dem Haus, an dem auch mit Kacheln das eine Bild angebracht war das den Zielpunkt markierte. Ich brauchte fuer den ganzen Abstieg tatsaechlich nur 6 Stunden. Eigentlich weniger, da die Pause bei den 6 Stunden inklusive ist.
Der Weg durch die Stadt

Geschafft! Damit habe ich die Pyrenaeen in einer Saison einmal auf spanischer und einmal auf franzoesischer Seite ueberquert. Hinzu kommt, dass ich fuer den GR10 nur 30 Tage benoetigt habe, was fuer mich selbst wirklich eine gute Leistung darstellt. Sonst waere es nur ein gemuetlicher Hatsch gewesen und ich waere erst im Oktober angekommen. Damit sind viele schoene, ja wirklich sehr viele wunderschoene Wandertage hinter mir. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich mit dem Wetter so ein hoellisches Glueck hatte, nachdem es am Anfang der Saison auf dem GR10 wohl staendig geregnet haben muss. Ich bin froh, dass ich nie in ein gefaehrliches Wetter gekommen bin und es nie wirklich gefaehrlich wurde. Hm... leider habe ich auch keine einzige blutende Verletzung davongetragen, weshalb der GR10 damit auch keine g'scheite Wanderung nach meiner eigenen Definition ist :-).
Ankunft am Rathaus

Ich holte mir von dem Kiosk nebenan erst mal was zu Essen und eine grosse Dose Bier. Dann nahm ich auf einer Steinbank neben dem gekachelten Bild Platz und verputzte beides. Ja, jetzt kann das entspannte Leben wieder losgehen. Kein langes Herumschleppen von dem Rucksack mehr, keine Uebernachtungssuche, keine schmerzenden Fuesse mehr, einfach nur noch gemuetliches chillen. Jetzt galt es noch einigermassen als Mensch den Zug zu besteigen. Das hiess, eine Dusche zu finden. An vielen Straenden gibt es eine Suesswasserdusche und so war es hier auch. Ich zog mich also bis auf die Unterhose aus und duschte mich gemuetlich um den heute nicht mal so penetranten Schweissgestank loszuwerden. Den Rucksack konnte ich ohne Gewaehr bei der Touristeninformation hinterlassen um dann das Dorf hier zu inspizieren.
Blick auf die Altstadt von Banyuls-sur-mer

Viel gab's hier auch nicht zu sehen ausser den meist nur zu Fuss begehbaren "Altstadtkern" an einem Hang, welcher aber bereits modernisiert wurde. Es gab hier auch noch einen Troedelmarkt, sodass ich wenigstens ein bisschen was zu tun hatte. Zu Abend genehmigte ich mir dann ein Menu fuer 30 EUR im Restaurant La Marenda mit 3 Gaengen. Leider stellte sich das nicht als allzu gut heraus. Der Salat war ja noch gut, aber die Gambas als Hauptgericht waren einfach nur alt oder tiefgefroren. So etwas ist eine Unverschaemtheit, wenn man so nahe am Meer ist, aber jetzt kann ich auch nichts daran aendern. Die Nachspeise bestand aus irgendeinem Eis (kein Hausgemachtes) und einer beerigen Sauce. Das war zwar gut, aber auch nicht herausragend. Naja, was solls. So lief ich dann um 8 Uhr zum Bahnhof um dort auf den Nachtzug nach Paris zu warten. Vllt. erwartet mich da neben Julie ja ein weiteres Abenteuer oder die Weiterreise zu den Alpen um dort noch ein bisschen umherzuwandern ;-).
Abendstimmung

Wie auch immer war diese Wanderung zwar nicht die Laengste die ich bisher unternommen habe, aber dafuer ganz sicher eine sehr, sehr Spannende auf der man viele andere Wanderer und natuerlich Wanderinnen kennenlernt, neue Erfahrungen macht, seinen Koerper einen Schritt mehr an's Limit heranbringt und letztendlich (aber auch waehrend der Wanderung) einfach gluecklich ist. Man lernt die kleinsten Sachen zu schaetzen, eine gute Brotzeit, die Sonnenstrahlen, frisches Quellwasser, einen sauberen Schlafplatz und vieles mehr, was in unserer heutigen Zeit eigentlich eine Selbstverstaendlichkeit geworden ist. Wann macht man sich schon Gedanken darueber, woher man das naechste saubere Wasser bekommt, wenn nicht in den Alpen. Andere Laender auf dieser Welt sind bei dem Vergleich natuerlich ausgeschlossen... Wieder bin ich ein paar Erfahrungen reicher geworden und, was auch beabsichtigt war, einige Kilo leichter. In diesem Sinne wuensche ich allen frohes Wandern und moege euch der Berg gut gesonnen sein. Berg Heil!